Haltung

Ausbildung im Wandel der Zeit

Wenige Felder haben sich in den letzten 20 Jahren so stark verändert wie die Hundeausbildung: einerseits haben wir uns von der Dominanztheorie zum Clickertraining entwickelt, andererseits vom Hundeplatz zum TV-Training. Ein Fortschritt, ein Rückschritt oder einfach nur Veränderung? 

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Menschen trainieren Hunde bereits, seit sie mit ihnen zusammenleben. So finden sich schon auf Höhlengemälden Darstellungen von gemeinsam jagenden Menschen und Hunden, und aus römischer Zeit sind Texte zum Thema Hütehundtraining erhalten. Systematisches Hundetraining im großen Stil finden wir erstmals zu Zeiten des Ersten Weltkriegs. Die Soldaten wurden unterstützt von Sanitätshunden, vierbeinigen Überbringern von Botschaften und sogar von Hunden, die gelernt hatten, Bomben unter feindliche Panzer zu tragen und dort fallenzulassen. Begriffe wie „Befehl“ und „Kommando“, wie sie noch heute im Hundetraining verwendet werden, sind ein Souvenir aus dieser Zeit – ebenso der militärisch anmutende Atmosphäre, die sich noch heute auf dem einen oder anderen Hundeplatz findet.

Verhaltensforschung als Wegbereiter

Als Anfang des 20. Jahrhunderts das Verhalten von Tier und Mensch in den Fokus der Wissenschaft rückte, gewannen wir auch neue Erkenntnisse über unsere vierbeinigen Begleiter. So verdanken wir Pawlow und Skinner einiges, was wir noch heute im modernen, wissenschaftlich basierten Hundetraining anwenden: Pawlow entdeckte durch Zufall das Phänomen, das später unter dem Namen klassische Konditionierung bekannt wurde. Er forschte und stellte fest, dass die Hunde bereits zu speicheln begannen, wenn sie allein die Schritte des Menschen hörten, der ihnen sonst immer das Futter brachte. Sie stellten also eine direkte Verknüpfung zwischen den Schritten und dem darauf folgenden Futter her und speichelten bereits, noch bevor sie Futter tatsächlich sehen oder riechen konnten. Was Pawlows Erkenntnisse mit moderner Hundeausbildung zu tun haben? Nun, so einiges! Jedes Mal, wenn wir etwa mit dem Clicker oder einem Markerwort arbeiten, haben wir es mit klassicher Konditionierung zu tun: Der Clicker ist ein sekundärer Verstärker und entspricht Pawlows Glocke – er kündigt an, dass Futter unterwegs ist, und löst denselben physiologischen Vorgang im Hund aus wie der primäre Verstärker, das Futter selbst. Einige Jahre nach Pawlow erregte Skinner unter anderem mit jenen Forschungsergebnissen Aufmerksamkeit, die wir als operante Konditionierung bezeichnen. Vereinfacht ausgedrückt geht es dabei darum, dass die unmittelbar auf ein Verhalten folgende Konsequenz dazu führt, dass das entsprechende Verhalten in Zukunft häufiger oder seltener gezeigt wird. Auch die operanten Lerngesetze sind nicht aus dem Hundetraining wegzudenken: So basiert die Tatsache, dass unser Hund, wenn wir ihm in direkter Konsequenz für ein sauber ausgeführtes „Sitz“ einen Käsewürfel ins Maul schieben, sich in Zukunft öfter und schneller hinsetzen wird, auf ebendiesen Gesetzen.

Spätestens seit Skinner ist also wissenschaftlich erwiesen, dass positive Verstärkung – das „Bezahlen“ einer tollen Leistung mit einer vom Lernenden begehrten Konsequenz – ein starkes und effektives Trainingswerkzeug darstellt. Basiert das gängige Hundetraining seit Skinner also vorrangig auf positiver Verstärkung? Nein, natürlich nicht – dahin ist es noch ein weiter Weg. Einerseits hatte Skinner nicht nur von positiver Verstärkung und ihrer Effektivität, sondern auch von der Effektivität von positiver Strafe gelehrt – und bis Murray Sideman im Jahr 2000 mit Coercion and Its Fallout eine deutliche Warnung zur Anwendung aversiver Trainingsmethoden aussprach, war es noch ein langer Weg.

Andererseits ist es in unserem Kopf kein weiter Weg vom Hund zu seinem Vorfahren, dem Wolf. Zwei wegweisende Wolfsforscher, Rudolph Schenkel in 1947 und David Mech in 1970,  veröffentlichten vielgelesene und -zitierte Werke, die davon ausgingen, dass ein Wolfsrudel vom „Alpha“-Paar angeführt würde, welches sich im ständigen Kampf um die Vorherrschaft durchgesetzt hätte. Schenkels Artikel Expression Studies of Wolves beschäftigte sich nicht nur mit der Beobachtung von Wölfen, sondern zog auch zahlreiche Parallelen zum Haushund, und Mechs Ecology and Behavior of an Endangered Species bekräftigte Schenkels Erkenntnisse erneut. Zu ihrer Zeit spiegelten beide Werke den Stand der Wolfsforschung wider – allerdings basierte fast alles, was wir damals über das Verhalten der Wölfe wussten, auf Beobachtungen von bunt zusammengewürfelten Rudeln in Gefangenschaft. Derartige nicht miteinander verwandten Gruppen bilden in der Tat eine „Dominanzhierarchie“, die von den Alphatieren angeführt wird – und die Alphatiere sind, wie schon der Begriff impliziert, jene, die sich kämpferisch durchsetzen können. In ihrer natürlichen Umgebung hingegen sieht das soziale Zusammenleben der Wölfe ganz anders aus, wie die Forschung der nächsten Jahrzehnte zeigen sollte. Mech und sein Team revidierten ihre frühere Überzeugung und zeigten, dass das typische Wolfsrudel einer Familie gleicht – die beiden Elterntiere ziehen ihre Welpen groß, und diese bilden dann den Rest der Gruppe, bis sie selbst erwachsen werden, abwandern und ihre eigene Familie gründen. Viel eher als die Hackordnung oder Dominanzhierarchie bietet sich also die Metapher der Aufgabenteilung und des Zusammenhalts eines Familiensystems an.

Den ganzen Artikel findest du in Ausgabe 01/2016 .