Gesundheit

Kleinhirnatrophie

Zerebelläre Abiotrophie (engl. Cerebellar Abiotrophy, CA), auch als Zerebelläre Kortikale Abiotrophie (CCA) oder Kleinhirnatrophie bezeichnet, ist eine genetisch bedingte Erkrankung, bei der das Kleinhirn- der Teil des Gehirns, der für die Bewegung zuständig ist, langsam abstirbt. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einem Absterben der Purkinjezellen im Kleinhirn. Mittels eines Bluttests kann diese Erkrankung diagnostiziert werden.

Körperlich eingeschränkt, geistig gesund

Die Erkrankung zeigt sich vor allem in Form von Gleichgewichtsstörungen und motorischen Ausfällen, d.h. das jeweilige Wesen der Hunde sowie ihre geistigen Fähigkeiten sind davon nicht betroffen. Diese Hunde bleiben geistig völlig gesund. Hunde mit zerebellärer Abiotrophie wollen wie körperlich gesunde Hunde gefordert und gefördert werden, brauchen die gleiche Erziehung und Beschäftigung. Auch wenn für Außenstehende auf Grund des unkoordinierten Gangbildes und motorischen Schwierigkeiten der Eindruck entstehen mag, diese Hunde würden „leiden“, so ergibt sich bei näherer Betrachtung u. Kennenlernen schnell ein anderes Bild. Ja, diese Hunde leben mit einer Behinderung, die ihre Bewegungen, v.a. im fortgeschrittenen Stadium stark einschränken. Auf Grund von Erfahrungswerten ist jedoch anzumerken, dass diese Hunde damit sehr gut zurechtkommen und ihr Hundeleben sehr wohl in vollen Zügen genießen. Diese Krankheit beeinträchtigt die jeweilige Lebensfreude der Hunde in keiner Weise.

Anzumerken wäre, dass diese genetisch bedingte Erkrankung einen Hauptfeind hat, der das Voranschreiten der Symptome massiv beschleunigen kann: Stress! Eine stressige Umgebung, wie z.B. ein Tierheimaufenthalt, ist für die betroffenen Hunde sehr belastend. Dies wirkt sich unmittelbar auf die motorischen Fähigkeiten aus. Eine Umgebung, wo der Hund sich wohl fühlt, bewirkt Gegenteiliges. Die Symptome bleiben, das Voranschreiten dieser erfolgt zumeist langsamer. Dies bedeutet nicht, dass man diese Hunde in Watte einpacken muss, man sollte jedoch sehr wohl darauf achten, ihnen ein Umfeld zu bieten, wo Dauerstress möglichst vermieden wird.

Abschließend ist festzuhalten, dass Hunde mit dieser Erkrankung auf der einen Seite, v.a. im fortgeschrittenen Stadium, sehr wohl mehr Unterstützung, z.B Treppensteigen, benötigen und man sich dessen auch bewusst sein sollte. Die davon betroffenen Hunde, die wir persönlich kennenlernen durften, haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Eine Behinderung dieser Art vermindert weder die Lebensfreude noch Lebensqualität!

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Leben mit Kleinhirnatrophie

Zerebelläre Abiotrophie oder mein Leben mit Bodo

Vor ungefähr fünf Jahren zog aus einem Zufall heraus ein American Staffordshire Terrier bei uns ein. Er kam ursprünglich aus der Tötung aus Ungarn und war vermutlich ein typischer Vermehrerhund. (Vermehrer vermehren, wie schon der Name sagt, Tiere, ohne darauf zu achten, ob die Elterntiere gesund sind. Hier geht es ums schnelle Geld, um eine Massenproduktion, die billig abgegben werden kann.  Im Gegensatz dazu steht der seriöse Züchter.)

Bodo war zu dem Zeitpunkt zwischen fünf und sieben Jahre alt, absolut nicht sozialisiert und in einem sehr schlechten körperlichen Zustand. Nach zwei Tagen stellten wir fest, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Er lief nicht so wie ein normaler Hund. Also ab zum Tierarzt, doch der konnte nichts feststellen. Es wurde vermutet, dass er nur im Zwinger gehalten wurde und daher einfach zu wenig Muskeln und Bewegungserfahrung hatte.

So trainierten und übten wir mit ihm, bis seine Muskeln gut aufgebaut und das Gewicht angemessen war. Aber das Gangbild war immer noch unharmonisch und beim Harnabsetzen auf drei Beinen kippte er oft um. Auch beim Treppensteigen gab es Unsicherheiten, er stürzte ab und zu einfach ab, so dass wir ihn nicht mehr alleine in den Garten lassen konnten. Bei einem Spaziergang neben einem Fluss verlor er plötzlich das Gleichgewicht und fiel ins Wasser. Es stellte sich heraus, dass er absolut nicht schwimmen konnte und beinahe ertrunken wäre. Seine Mimik  war eher starr und die Augen ständig aufgerissen und kugelig wie bei einem Welpen. Das machte zwar einen sehr niedlichen Eindruck, aber es entsprach eben nicht der Norm. Auch beim Leckerchennehmen stellte er sich sehr ungeschickt an.

Wir konsultierten verschiedene Tierärzte, spulten das ganze Programm mit Röntgen, CT, Augenarzt, Liquorentnahme usw. ab, aber eine Diagnose gab es nicht. Wir einigten uns, dass es ev. eine Nebenwirkung einer Staupeerkrankung war, die er vielleicht einmal hatte. Aber diese Diagnose war unbefriedigend, denn ich spürte: Das war es nicht!

 

Nach 2 langen Jahren die Diagnose

Erst zwei Jahre später wurde die richtige Diagnose: „zerebelläre Abiotrophie“ gestellt. Mittlerweile kann man einen ganz einfachen Gentest machen, bei dem einfach etwas Blut abgenommen und eingeschickt wird. Das Gute daran war, dass wir es jetzt wussten, das Schreckliche daran war, dass es kein Heilmittel gab. Diese Krankheit verläuft progressiv, das bedeutet, sie schreitet ständig fort. Meist tritt sie in kleinen oder größeren Schüben auf. Bei zerebellären Abiotrophie lösen sich spezielle Zellen im Kleinhirn auf und werden nicht mehr ersetzt. Das Kleinhirn ist aber für die Motorik verantwortlich und so konnte man beobachten, wie die Motorik immer schlechter wurde. Zuerst verlor er nur leicht das Gleichgewicht, dann wurde der Gang immer staksiger und der Kopf wackelte oft unkontrolliert herum.

 

Stress vermeiden

Diese Krankheit ist ein Gendefekt und verbreitet sich, wenn man mit betroffenen Hunden züchtet. Trotzdem blieben wir am Ball und trainierten fleißig mit ihm, gingen stundenlang mit ihm spazieren, achteten auf wechselnde Untergründe, ließen ihn über Schrägen gehen, bauten kleine Hindernisse im Garten auf, legten das Vorzimmer mit verschiedenen Fußmatten aus, stellten ein Planschbecken auf, da ihm Wassertreten eindeutig gut tat und achteten vor allem darauf, dass er kaum Stress hatte. Es war deutlich merkbar, dass er jedes Mal einen Schub hatte, wenn er in einer Stresssituation war. Manchmal verbesserten sich seine Symptome, dann blieben sie längere Zeit auf einem Level und dann kam wieder eine Talfahrt.  Viele Dinge stellten sich in unserem Leben dadurch um, da Bodo mit mittlerweile ca. 11 oder 12 Jahren, schon viel Hilfe braucht. Beim Fressen oder Trinken muss ich seinen Kopf leicht stabilisieren, sonst schlägt er mit dem Kopf in den Napf. Auch beim Gassigehen sind unsere Wege schon sehr kurz und ich muss ihn etwas stützen. Wir haben das alte Kinderwagerl meiner Tochter zweckentfremdet und packen Bodo einfach rein, wenn er müde wird. So kann er auch etwas von der Welt sehen und muss nicht zu Hause bleiben. Wir haben nämlich seit zwei Jahren einen zweiten Hund. Bodo verliebte sich plötzlich in einen Welpen, der glücklicherweise zur Vergabe stand. Seitdem bereichert Blümchen unser Leben und hält den alten Herrn auf Trab. Das Leben mit einem abiotrophen Hund ist sicher nicht ganz einfach, aber absolut machbar. Die Erkrankung verändert in keiner Weise das Verhalten oder die Intelligenz und verursacht auch keine Schmerzen. Für Bodo ist auch alles wunderbar. Er leidet nicht darunter, denn er kennt es nicht anders. Er ist genauso ein liebenswerter, sturer Dickschädel wie immer, der sein Frauchen beschäftigt.

Abiotrophe Hunde müssen genauso erzogen werden, müssen genauso gefordert werden, brauchen genauso Grenzen wie gesunde Hunde. Sie brauchen kein Mitleid, aber sie brauchen Verständnis, denn es passiert immer wieder, dass Dinge plötzlich verlernt werden, die gestern noch da waren. Sie können auch wie jeder andere Hund alleine gelassen werden und brauchen keine Rundumaufsicht. So wie bei jedem Hund empfiehlt sich aber ein „Babysitter“, der den Hund im Notfall betreuen kann. Der sollte informiert sein, womit er es zu tun hat. Wir sind beide berufstätig, haben ein Theaterabo und viele Freunde, mit denen wir etwas unternehmen. Natürlich findet vieles bei uns zu Hause statt und beide Hunde genießen den Besuch sehr. Wir sind auch mit ihnen auf Urlaub gefahren.

 

Vorbereitungen rechtzeitig treffen

Wenn man sich bewusst so einen Hund wählt, ist es hilfreich, an die Zukunft zu denken. Ein Haus ohne Treppen in den Garten oder eine Wohnung mit Aufzug ist fast ein Muss. Bodo hat ca. 27 kg und Treppen- steigen wird schnell zum Problem. Dieses Gewicht mehrmals am Tag hinunter und hinauf zu tragen wird tatsächlich zur Kraftprobe. In der Nähe von frei zugänglichen Gewässern muss man aufpassen, da die Hunde die Fähigkeit zum Schwimmen verlieren und ertrinken würden. Auch das kann über Nacht passieren. Gestern konnte er noch schwimmen, heute nicht mehr. Wir haben für Bodo eine Schwimmweste und damit kann er problemlos ins Wasser, was er heiß liebt.

Da die Erkrankung sehr häufig bei American Staffordshire Terriern auftritt, die in Österreich zu den Listenhunden gehören, muss man mit ihnen auch den Hundeführschein oder den Sachkundenachweis machen. Bodo hat übrigens beide gemacht, wobei ich zugeben muss, es war eine Herausforderung und ich bedanke mich bei beiden Prüfern für das Verständnis, die Geduld und das Einfühlungsvermögen, damit wir die Prüfungen ablegen konnten.

Die Lebenserwartung ist ungefähr mit einem gesunden Hund gleichzusetzen, wobei abiotrophe Hunde meist aus schlechter Haltung, bzw. aus unkontrolliertem Vermehrertum stammen und dadurch ev. noch weitere Krankheiten haben können. Bodo hat z.B. zusätzlich einen schweren Herzfehler und eine Nahrungsmittelallergie, die er auch ohne Abiotrophie hätte. Unser Leben mit Bodo ist nicht immer leicht und jetzt, wo er alt geworden ist, die Symptome sich verschlechtern, er etwas schwer hört, etwas schlechter sieht, er noch mehr Hilfe braucht, das Herz Probleme macht, wird es nicht einfacher.

Aber er ist jede Anstrengung wert, denn es ist unser Hund!

Informationen

Verein Behinderter Hund – na und?
Katharina Hengl  mit Mr.Krummbein

Obfrau
Jenbachgasse 60, 1130 Wien
+43 660 567 63 40

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