Gesundheit

Leserbrief einer Tierärztin zu „Wie viel Fleisch braucht der Hund?“

Leserbrief einer Tierärztin aus dem Wiener Raum, die in der Ausbildung von Marken geprägt wurde. Name der Redaktion bekannt.

fleisch„Sehr geehrte Damen und Herren,
mir wurde der Artikel „wie viel Fleisch braucht der Hund“ aus Ihrem Heft 1 2015 gezeigt und ich musste leider feststellen, dass er nur so vor Fehlern strotzt. Um nur einige Beispiele von vielen zu nennen:
– es ist keineswegs ungefährlich, wenn der Hund verdorbenes Fleisch frisst
– Der pH Wert im Magen des Hundes liegt nicht <1, das ist physiologisch gar nicht möglich
– der Hund braucht kein Fleisch, um die „Verdauung zu starten“
– Getreide im Futter verursacht mit Sicherheit keine Erkrankungen
– Fleisch enthält fast kein Kalzium. Selbstverständlich kann man den Kalziumbedarf des Futters auch mit Eierschalen und anderen Kalziumergänzungen decken, nicht nur über Knochen

Die Autorin des Artikels ist mir nicht bekannt (obwohl ich mich seit über 10 Jahren beruflich mit Hundeernährung beschäftige), offensichtlich ist sie Anhängerin der Rohfütterung und bietet auch dahingehende Beratung an. Aus dem Artikel geht klar hervor, dass sie kein Wissen über Physiologie oder Ernährungslehre hat – leider sind auf ihrer Website auch keine Angaben über ihre Ausbildung zu finden.

Das Thema „Rohfütterung“ ist momentan ein sehr umstrittenes und viel diskutiertes, und in der Praxis werden dabei viele Fehler gemacht, die die Gesundheit von Hund und Besitzer gefährden – das liegt vor allem daran, dass es so viel Halbwissen und Fehlinformationen gibt, da fast nur Laien zu BARF publizieren. Gerade deswegen hätte ich von einem „Premium-Magazin“ fachliche fundierte Informationen erwartet – schade.“

Antwort von YOUR DOG-Herausgeberin Bettina Bodner:
Sehr geehrte Frau Dr. XXX,

herzlichen Dank für Ihre Reaktion auf unseren Artikel.

Selbstverständlich versuchen wir auch immer zu verstehen wer – und vor allem warum – uns schreibt.
Ich habe daher ein wenig nach Ihnen gegoogelt. Nach kurzer Recherche habe ich unter anderem Ernährungs-Vorträge für eine bestimmte Marke in Ihren Referenzen auf Ihrer Homepage gefunden.

Mir fällt da eine unabhängige Studie in Deutschland ein, welche belegt, dass alleine in Deutschland 20% weniger Tierärzte praktizieren würden, würden diese nicht auch ihr Trockenfutter versuchen an den Mann zu bringen.
Welches Futter das in Österreich ist, ist hinlänglich bekannt. Und vermutlich würde die Quote auf Grund der Penetranz sicher nicht weniger sein. Ich darf Sie also als (inoffizielles?) Organ von XXX ansehen.
Selbstverständlich so wie viele andere Tierärzte auch, denn XXX ist derart tief in die Ausbildung angehender Veterinäre in Österreich verwurzelt, dass selbstverständlich kein Weg daran vorbeiführt.
Weder für die Tierärzte noch in weiterer Folge für die Kunden dieser.

Damit möchte ich keinesfalls zum Ausdruck bringen, dass Sie XXX bewerben würden, wenn es in Ihren Augen nicht gut für den Hund wäre. Schließlich gibt XXX ja genügend Studien in Auftrag, die das Ergebnis wiederspiegeln, welches marketingtechnisch gebraucht wird. In weiterer Folge werden junge Tierärzte mit diesen Studien vertraut gemacht, müssen daran arbeiten und werden somit überzeugt. So schnell geht es und gemahlene Federkiehle werden besser als Fleisch bewertet.
So durfte ich am eigenen Leib erfahren, wie schnell der XXX Sack vom Tierarzt als optimale Lösung bei verschiedensten Problemen (im konkreten Fall schuppige Haut aufgrund einer von einem anderen, kompetenteren Tierarzt diagnostizierten Schilddrüsenunterfunktion!) für vollkommen überteuertes Geld in die Hand gedrückt wird. Eine eklatante Fehldiagnose also! […]

XXX ist eine Marke, die unseren Haustieren ein Futter mit einem Fleischanteil von unter 10% vor die Nase setzt und es Dank bester Marketingstrategie geschafft hat, unbedarften Tierhaltern mehr als zweifelhafte Inhaltsstoffe als „gesund“ zu verkaufen. Damit nicht genug, drängt sich der XXX Vertreter – selbstverständlich ein Tierarzt – auch im Sachkundenachweisvortrag in den landesweiten Hundeschulen auf, um unter anderem hier ein weiteres Mal die wichtige Funktion von Getreide im Futter zu verkünden. Kritische Stimmen werden sofort im Keim erstickt. Aus eigener Erfahrung weiß ich wie hoch die Anzahl der Futtermittelunverträglichkeiten mittlerweile ist und einige Bestandteile ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch die bisher verabreichten Futtersorten: Mais, Weizen, Rübenschnitzel (ein billiger Füllstoff aus der Viehhaltung, wenn nicht entzuckert zudem zuckerhältig).

Wie schon kurz erwähnt, macht das Hundefutter, für welches Sie Seminare abhalten, keinen Hehl daraus Geflügelfedern im Futter als optimale Lösung für allergiebelastete Hunde einzusetzen, wie sogar im Forbes Magazin als „winwin“ Situation verkündet wird. Zudem ist fast in jedem Sack dieser Firma das schöne Wort Lignozellulose zu finden, was sich dahinter verbirgt, wissen Sie bestimmt und welchen Wert dies für die Ernährung des Hundes hat, ebenso.
Sie wünschen sich Namen von „bekannteren“ Autoren? Bitte schön – lesen Sie Jutta Ziegler oder Hans-Ulrich Grimm. 

In meinen Augen wäre es extrem wünschenswert und wichtig, dass sich die VetmedUni Vienna in den kommenden Jahren spürbar vom Einfluss diverser Marken emanzipiert. Das würde einerseits das Vertrauen in die österreichischen Tierärzte wieder spürbar heben (ich glaube auf der VetMed liest man bewusst schon lange nicht mehr im Internet über sich selbst nach) und andererseits in Summe der Gesundheit unserer Lieblinge wesentlich einträglicher sein.

Nun zu Ihren Ausführungen:
– dass beispielsweise „grünes“ Putenfleisch vollkommen ungefährlich ist, weiß ich aus persönlicher Erfahrung, denn nicht nur dass der für uns unangenehme Geruch für Hunde besonders schmackhaft ist, hat mein eigener Hund davon keinerlei Verdauungsprobleme entwickelt. Dass man seinem Hund kein Gammelfleisch vorsetzt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
–  Was die Magensäure anbelangt, möchte ich mich auf Swanie Simons Ausführungen (keine VetMedUni Vienna Absolventin) berufen, die folgendes angibt: „Der Magen des Hundes ist im Vergleich zu Pflanzenfressern sehr groß: achtmal so groß wie ein Pferdemagen, in Relation zum Körpergewicht. Die Magensäure des Hundes enthält anteilig zehnmal mehr Salzsäure als die des Menschen und hat, mit Nahrung im Magen, einen pH-Wert von unter 1 (Mensch: pH-Wert 4 bis 5). Die Produktion der Verdauungssäfte erfolgt beim Hund durch den Schlüsselreiz Fleisch.“ Quelle: http://www.drei-hunde-nacht.eu/barf_info_start/barf.html
– natürlich verdauen Hunde auch Nahrung, die kein Fleisch beinhaltet, allerdings stellt Fleisch sehrwohl einen Schlüsselreiz bei der Ernährung eines Carni- bzw. Omnivoren dar.
– es gibt nicht wenige Hunde, die an einer Zöliakie leiden. Ebenso leiden sehr viele Hunde an Unverträglichkeiten, die sich in unerklärlichem Juckreiz, Ohrenentzündungen etc. äußern. Ich habe die Odyssee mit meinem Hund am eigenen Leib erfahren dürfen!
– hier haben Sie Recht, dass der konkrete Satz „Hunde brauchen sehr viel Kalzium, das in Fleisch, Blut, Knochen und Milchprodukten in großen Mengen vorhanden ist“ anderes impliziert. Alternative Kalziumquellen wurden zwar angeführt, aber dass Fleisch nur geringe Mengen davon enthält, geht daraus nicht klar hervor.
Your Dog ist – wie Sie richtig erkannt haben – ein unabhängiges Premium-Fachmagazin und distanziert sich daher ausdrücklich von einigen Marken, denn unserer Meinung nach, tragen Medien eine enorme Verantwortung daran, was dem (unbedarften) Leser in der Werbung vermittelt wird. Wir lassen uns nicht so gerne vereinnahmen.