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Qualität statt Quantität in der Hundezucht

Hundezucht ist für viele mehr als nur ein Hobby. Es ist die Möglichkeit, die Lieblingsrasse nach eigenen Vorstellungen ein Stück besser zu machen. Leider beschränken sich die individuellen Vorstellungen häufig auf rein optische Aspekte, sodass sich der Fokus in den vergangenen 150 Jahren Hundezucht weg von der Verbesserung von Leistung und Gesundheit einer Rasse hin zum Aussehen verlagert hat.

Die häufigste Motivation selbst als Züchter tätig zu werden, ist die Liebe und Verbundenheit zu einer ganz bestimmten Rasse. Realistisch betrachtet nimmt kein Mensch den unsagbaren zeitlichen und finanziellen Aufwand einer ernsthaft betriebenen Hundezucht auf sich, wenn nicht eine große Liebe zur jeweiligen Rasse vorhanden ist. Und ebenso realistisch betrachtet liegt genau darin das Problem. Populationsgenetik ist niemals auf nur den einen, für seinen Besitzer so perfekt wirkenden Hund zu beschränken, der Anstoß für die Gründung einer Zuchtstätte ist. Populationsgenetik ist Denken in Generationen, wie die renommierte Expertin für Zucht und Populationsgenetik Dr. Irene Sommerfeld-Stur in ihrem Buch „Rassehundezucht“ auf den Punkt bringt: „Entscheidungen, die in Hinblick auf den Zuchteinsatz eines Hundes getroffen werden, betreffen nicht nur diesen einen Hund, sondern alle Hunde der Rasse. Die Folgen dieser Entscheidung können noch viele Generationen später in der Population zu spüren sein. So kann der Zuchteinsatz eines einzigen Hundes mit einem rezessiven Defektgen dazu führen, dass dieses Defektgen sich in der Population verbreitet und einige Generationen später zu einem explosionsartigen Auftreten einer genetischen Erkrankungen führt.“

Belastete Hunde erschweren die Auswahl der Zuchtpartner

Aufgrund des Einsatzes belasteter Hunde haben zahlreiche Rassen dieser Tage mit teils schwerwiegenden Erkrankungen zu kämpfen. Die Dilatative Cardiomyopathie (DCM) ist eine solche. Trotz über zehnjähriger Ursachenforschung an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) in München, tappen die Wissenschaftler bis heute im Dunkeln. Bekannt ist, dass die Erkrankung je nach Rasse unterschiedlich ausgeprägt ist und Dobermann sowie Deutsche Dogge von der schwersten Form betroffen sind. Einmal erkrankt, ist mit einer weiteren Lebensdauer von wenigen Monaten, in Ausnahmefällen wenigen Jahren zu rechnen. Häufig sterben betroffene Tiere jedoch kurze Zeit nach Diagnosestellung, da Symptome erst auftreten, wenn der Hund bereits fortschreitend daran erkrankt ist. Die Studie der LMU-München hat aufgrund der hohen Anzahl vorgestellter und betreuter Tiere zumindest die traurige Erkenntnis gewinnen können, dass die Gesamtpopulation der Rasse Dobermann bereits zu über 50 % davon betroffen ist. Für die rassebetreuenden Zuchtvereine dennoch kein Grund an einem wissenschaftlich betreuten Zuchtprogramm zu arbeiten. Wissenschaftliche Tatsachen werden verharmlost oder negiert, was jedoch keineswegs ein Einzelfall ist. Das Auftreten populationsgenetischer Krankheiten ist der eine Punkt. Der Umgang damit seitens der Rassezuchtvereine der andere.

Dabei zeigen zahlreiche Beispiele verbindlicher Zuchtprogramme den positiven Nutzen. So beweisen die auch heute noch streng nach Leistung und Gesundheit selektierten Jagdgebrauchshunderassen, dass sich ein richtig gesetzter Fokus positiv auswirkt. Doch sehen sich heimische Zuchtvereine, die großen Wert auf die Gesunderhaltung ihrer Rasse legen und bestimmte Untersuchungen zwingend vorschreiben, oft mit dem Problem konfrontiert, dass potenzielle Zuchthunde aus dem Ausland aufgrund lockerer Bestimmungen ausländischer Vereine die geforderten Untersuchungen nicht aufweisen. Auf lange Sicht ist daher die FCI (der weltweite Dachverband für Hundezucht) gefordert, länderübergreifende Bestimmungen zu erlassen.

Ursachen genetischer Verarmung

Je nach Entstehungsgeschichte einer Rasse, ist eine bedrohlich geringe genetische Varianz entweder durch eine entsprechende Zuchtpolitik erworben oder wie im Falle des Kromfohrländers einer auf nur zwei Tiere zurückgehenden Entstehung geschuldet. In der Rassehundezucht spielt zudem die Größe der effektiven Zuchtpopulation der jeweiligen Rasse eine bedeutende Rolle. Diese unterscheidet sich von der Gesamtpopulation insofern, als dass sie den für das aktive Zuchtgeschehen relevanten Teil einer Rassepopulation beschreiben. Entscheidend für die tatsächliche Größe sind die aktiven Zuchtrüden, da die effektive Zuchtpopulation immer maximal ein Vierfaches der Rüdenanzahl ist.

Die Praxis sieht in vielen Vereinen jedoch ganz anders aus. Da es keine Beschränkung der jährlichen Deckeinsätze einzelner Rüden gibt, entwickeln sich immer wieder sogenannte „popular sires“, also für die Zucht besonders beliebte und häufig gewählte Deckrüden. Angenommen einer jener Rüden ist nun Träger eines oder gar mehrerer rezessiver Gendefekte, fungiert er als fataler Multiplikator. Führt man sich vor Augen, dass so gut wie jeder Hund Träger eines rezessiven Defektgens ist, wird schnell klar warum die gesundheitliche Situation mancher Rassen so prekär ist. So sind allein beim Deutschen Schäferhund 77 verschiedene genetische Erkrankungen bekannt.

Hundezucht ist also nicht bloß ein schönes Hobby, sondern ein hoch komplexer Poker mit der Zukunft, Gesundheit und Lebensqualität von Lebewesen. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass wir selbst für das Fahren eines Fahrrads eine Prüfung ablegen müssen, ein derart verantwortungsvolles Aufgabengebiet die wie Hundezucht aber keinerlei Wissensnachweis im Bereich der Genetik sowie all ihrer Teilgebiete erfordert. Zwar wurde der Handel mit Hunden durch das Tierschutzgesetz neu in Österreich massiv eingeschränkt, doch die Anmeldung einer Zuchtstätte innerhalb des Österreichischen Kynologenverbandes (ÖKV) unterliegt keinerlei verpflichtenden Wissensüberprüfungen.

Den ganzen Artikel findest du in Ausgabe 05/2017 .