Gesundheit

Wie viel Stress ist gesund?

Der Begriff Stress ist aktuell in aller Munde und zumeist sehr negativ behaftet. Zu viel davon wird generell als ungesund und krank machend eingestuft – unabhängig von der jeweiligen Spezies. Tatsächlich sind die Vorgänge, die während einer Stress-Sequenz im Körper ablaufen, bei Menschen und Hunden beinahe dieselben. Und die Auslöser dafür, die sogenannten Stressoren, sind es heutzutage oftmals auch.

Sehr starkes Hecheln mit zähem Speichel weist oft auf großen Stress beim Hund hin.

Je nach Rasse und Typ fügt sich der beste Freund des Menschen meist anstandslos und mit großer Anpassungsfähigkeit in unseren Alltag ein. Er begleitet uns ins Büro, zum Shopping, zu Abendveranstaltungen und natürlich in den Urlaub. Da es sich hierbei nicht immer um hundeadäquate Wohlfühl-Orte handelt, sind ein gesundes Maß und der geeignete Ausgleich sehr wichtig. Wird dieser nicht geboten und werden die natürlichen Verhaltensweisen und Instinkte zu sehr unterdrückt, kann das den Vierbeiner ganz schön in Stress versetzen. In der Natur wird eine Stress-Reaktion, egal ob bei Mensch oder Tier, grundsätzlich durch die Wahrnehmung einer Bedrohung ausgelöst. Sie bereitet den Körper direkt auf einen Kampf oder die schnellstmögliche Flucht vor.

Je umfangreicher sie mit unterschiedlichen Umweltreizen in Kontakt kommen und je besser ihre Hundemutter damit umgeht, desto lockerer und stressresistenter ist später der erwachsene Hund.

Ursprünglich war dies eine sehr hilfreiche Sache, die heute in unserer westlichen, sicheren Welt allerdings zunehmend an Bedeutung verliert. Werden nun aber dennoch Stress-Hormone ausgeschüttet und können diese nicht durch angemessene, natürliche Reaktionen abgebaut und die Stressphasen durch entsprechende Regenerationsphasen wieder ausgeglichen werden, so kann dies langfristig schädliche Auswirkungen auf den Organismus haben.

Auswirkungen von dauerhaftem Stress

+ Fellveränderungen (Haarausfall, schütteres Fell)
+ Hauterkrankungen (Ekzeme, Ausschläge)
+ Allergien
+ Erkrankungen von Magen, Herz oder Nieren

Jeder Hund reagiert anders und unterschiedlich stark auf Stress-Reize, abhängig von Genetik, Sozialisierung und Prägung. Während den einen scheinbar alles kalt lässt, ist der andere schon beim kleinsten Reiz auf Hochtouren. Die Prägungsphase ist deshalb ausschlaggebend, da auch Welpen bereits Stressoren kennenlernen. Je umfangreicher sie mit unterschiedlichen Umweltreizen in Kontakt kommen und je besser ihre Hundemutter damit umgeht, desto lockerer und stressresistenter ist später der erwachsene Hund. Aber auch Herrchens oder Frauchens Verhalten hat Auswirkungen auf die jeweilige Situation. Bleibt der Mensch beispielsweise bei unerwartetem Krach oder ungeliebten Begegnungen mit aggressiven Artgenossen cool, fühlt sich auch der Hund sicherer und empfindet weniger Stress. Aber nicht nur der negative Stress, Dystress genannt, ist von Bedeutung, sondern auch die positive Entsprechung, der sogenannte Eustress ist ein wichtiger Faktor im Hundeleben.

Positiver Stress kann Höchstleistungen ermöglichen

Positiver und milder Stress kann unsere Vierbeiner zu Höchstleistungen anspornen. Die Lernfähigkeit wird enorm gesteigert, was vor allem im Welpenalter, aber auch später absolut von Vorteil ist. Gleichzeitig laufen in Eustress-Phasen positive und sehr gesunde Reaktionen im Körper ab, die für Entspannung und Wohlgefühl sorgen. Ein Beispiel dafür ist die aufgeregte Erwartung eines besonderen Leckerlis für eine bestimmte, zu erledigende Aufgabe. Die Entspannung folgt nach erfolgreicher Erfüllung der Aufgabe und der Inbesitznahme der Belohnung.

Die Stressdauer entscheidet über positiven oder negativen Stress

Je länger der Hund einer stressbringenden Situation ausgesetzt ist und je weniger Aktionsspielraum oder Fluchtmöglichkeiten er hat, desto höher steigt das Stresslevel und desto dauerhafter und unangenehmer können die gesundheitlichen Folgen sein.

Anzeichen für Stress

Angelegte Ohren, aber auch das Naselecken sind typische Stresssymptome. Abhängig von der jeweiligen Situation können diese als Vorstufe zur Aggression oder zur Unterwürfigkeit gedeutet werden.
Auch unterwürfiges Schwanzwedeln mit gesenkter Rute oder das Pföteln, das beschwichtigende Heben einer Vorderpfote, kann Stress ausdrücken.

Auffällig häufiges Lecken oder Abschlucken kann auf Stress hinweisen.

Stressbedingtes Niesen – beispielsweise beim Warten auf Futter oder auf den Spaziergang – und auch Gähnen, Kratzen oder Schnuppern gehören zu den sogenannten Übersprungshandlungen. Diese scheinen dem Hund zu helfen sich selber durch Spannungsabbau zu beruhigen. Stressbedingtes Hecheln erkennt man oft bei Hunden im Warteraum des Tierarztes oder während eines Gewitters bzw. zu Silvester.

Bei sehr großem Stress, z.B. Angst oder Panik, kann der Hund auch mit Durchfall reagieren. Dies kommt daher, dass sich zu lösen zur schnelleren Fluchtmöglichkeit beiträgt, da der Köper die Energie nicht für Nahrungsverwertung oder Verdauung verwenden muss. Auch mancher Mensch kennt diese Reaktion des Körpers auf stressige Situationen, z.B. bei Prüfungsangst.
Bellen in schneller Abfolge, übertriebenes Jaulen oder Winseln, z.B. beim ungewohnten Alleinsein oder Autofahren, sind weitere typische Verhaltensmerkmale bei Stress.

Andauerndes Zerstören von Gegenständen, ein abnormales Fressverhalten, totale Lustlosigkeit oder übertriebenes Markieren beim Spaziergang können Hinweise darauf sein, dass der Hund bereits dauerhaft unter zu großem Druck steht, beispielsweise ausgelöst durch ungenügende Führung oder fehlende Tagesstrukturen, zu viel Training und Spiel und zu wenig Ruhephasen. Aber auch Langeweile und Unterforderung werden auf Dauer zu negativen Stressoren für den Vierbeiner.

So verschaffen Sie Ihrem Hund Abhilfe

Zeigt uns das Tier oft und auch sehr rasch Stress-Reaktionen, so ist ein ruhiger und bestimmter Umgang mit ihm der wichtigste Schritt um seine Nerven wieder zu besänftigen. Ein strukturierter Tagesplan mit ritualisierten Abläufen und Aufgaben kann auch hilfreich sein, da ihm vorhersehbare Situationen Sicherheit liefern. Ist der Vierbeiner bereits sehr beeinträchtigt und leidet unter chronischem Stress oder zeigt ständig ausufernde Stressreaktionen, ist wohl ein erfahrener Therapeut die beste Wahl. Der Tierarzt kann unterstützend für medikamentöse oder auch alternativmedizinische Behandlungen (Bachblüten, Globuli) herangezogen werden. Die beste Lösung ist natürlich immer Vorsorge statt Nachsorge! Es gar nicht so weit kommen lassen, mehr Achtsamkeit an den Tag legen und für sich und seinen Vierbeiner genügend Zeit zum Relaxen und gemeinsamen Entspannen vorsehen. Das tut nicht nur der Hundeseele gut, sondern auch uns selbst.

Autorin: Andrea Hartlieb